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Vertrauen ist gut … Kontrolle ist besser – Augsburger Wiegemarken

 von Dr. Thomas-Michael Kahl

 

Vor der reichsweiten Einführung einheitlicher Maße konnten u.a. auch Gewichte von Stadt zu Stadt unterschiedlich sein. Um Betrug zu verhindern waren Kaufleute in Augsburg seit 1276 verpflichtet „Kaufschatz über 25 Pfund“ auf der bischöflichen Fronwaage abwiegen zu lassen. Die Waage und damit auch die Wiegegebühr waren ebenso wie der Brückenzoll ein Recht des Bischofs [1,2,3].

Die bischöfliche Fronwaage (Stadtwaage) befand sich am Weinmarkt (Maximilianstraße 55, Haus Lit. A21).  Im Jahr 1647 wurde vom Bischof ein Neubau an selber Stelle errichtet, nachdem der Versuch des Bischofs gescheitert war, das reparaturbedürftige Haus gegen ein anderes Haus einzutauschen. Heute befinden sich in dem Gebäude eine Filiale der Oberbank AG und das Restaurant Mille Miglia [3].

 

Kaufmannskontor 

Das Kaufmannskontor der Stadtwaag [4]

 

Allerdings vertrauten die offiziellen Stellen von Stadt und Bischof den Einnehmern an der Stadtwaage nur begrenzt. Zu groß schätzten sie die Gefahr ein, dass die eingenommenen, mitunter erheblichen Geldsummen, teilweise unterschlagen und nicht abgeliefert werden. Abhilfe dagegen gewährte die indirekte Bezahlung der Wiegegebühr  mit Marken und Zeichen, die vorab an offizieller Stelle gekauft und bezahlt werden müssen.

Schmid 1     Schmid 3

     
Wiege-Marke 1563 aus Kupfer, Schmid 1, Durchmesser: 23mm (Foto: Schwäbischer Münzclub Augsburg)

Wiege-Marke 1575 aus Kupfer, Schmid 3, Kantenlänge: 18mm (Foto: Schwäbischer Münzclub Augsburg)

Schmid 5     Schmid 6


Wiege-Marke 1579 aus Messing, Schmid 5, Durchmesser: 17mm (Foto: Schwäbischer Münzclub Augsburg)

Wiege-Marke 1591 aus Kupfer, Schmid 6, Durchmesser: 18mm (Foto: Schwäbischer Münzclub Augsburg)

 

Schmid 8

Wiege-Marke 1599 aus Kupfer, Schmid 8, Durchmesser: 19mm (Foto: Schwäbischer Münzclub Augsburg)


Die Wiege-Marken besitzen ein einheitliches Erscheinungsbild. Die Vorderseiten der meist runden Marken zeigen in einem Perlenkreis das Wappen des Augsburger Bischofs häufig mit der Jahreszahl seiner Inthronisation und auf der Rückseite, ebenfalls in einem Perlenkreis die Stadtwaage, eine Rosette und zwei Ringe oder Kugeln.

Neben den bischöflichen Marken gibt es auch ein Zeichen der Stadt Augsburg ohne Jahresangabe, die Schmid [6] als städtisches Stadtwaagenzeichen (Schmid 94) allerdings mit Fragezeichen deutet. Von Forster [5] beschreibt diese Marke ebenfalls (Forster 475), kann ihr aber keine Funktion zuweisen.  Die Vorderseite der Marke zeigt den Pyr, das Augsburger Stadtsymbol in einem Perlenkreis, die Rückseite zeigt eine Waage in einem Perlenkreis. Die Ausgestaltung des Stadtpyrs deutet auf einen Prägezeitraum vor 1560 hin und damit noch vor der ersten bischöflichen Wiegemarke.

 

Schmid 94

Wiege-Marke o.J: aus Kupfer, Schmid 94, Durchmesser: 23mm (Foto Schwäbischer Münzclub Augsburg)

 

Es ist durchaus belegt, allerdings für das 14. und 15. Jahrhundert, dass der Bischof mitunter das Recht an Waage und Münze befristet an die Stadt oder einzelne Bürger der Stadt verkauft hat [3].

Paul von Stetten dokumentiert in der 1788 erschienenen „Beschreibung der Reichsstadt Augsburg“ den Betrieb der Stadtwaage: „Alle Güter und Waaren, die hieher kommen, oder von hier abgehen, müssen auf die Fronwaage gebracht, und dort abgewogen, und gepackt werden, Diese Waage zu halten, ist ein Vorrecht des Bischofs von Augsburg, welcher einen Waagmeister dazu setzt. Die Stadt hat aber dabey zween Güterbestätter, einen wälschen und einen deutschen, sechs Spanner, sechs Ballenbinder, uns 24 Karrenzieher [7].

Auch für die Verpackung der Waren durch die Ballenbinder [2] nach dem Verwiegen muss, zumindest zeitweilig, eine Gebühr an die Stadt bezahlt werden. Auch dafür werden von der Stadt 1578, 1635, 1639 und 1645 besondere Zeichen ausgegeben.

Schmid 41            

Ballenbinder-Marke 1578 aus Kupfer, von Forster 444, Schmid 41, Durchmesser: 23mm (Foto: Autor)

Ballenbinder-Marke 1639 einseitig, aus Kupfer, Durchmesser: 27mm (Foto: Auktion 272 Hirsch, Lot 1168)

 

Schmid (für Schmid 41 und 56) beschreibt beide Marken als Zeichen der Ballenbinderzunft [6]. Von Forster zeigt bei dem ihm vorliegenden Zeichen (Forster 444) als Erklärung  jeweils nur ein Fragezeichen [5]. Im Fall der Ballenbindermarken macht  Design der vier Marken es sehr unwahrscheinlich, dass es sich um Zunftmarken handeln könnte. Es fehlt auch hier an jeglichem persönlichem Bezug zum möglichen Zunftmitglied, wie etwa ein Name oder ein Namenskürzel.
1807 wurde die Stadtwaage an der Maximilianstraße nach Ende der Reichsfreiheit Augsburgs aufgelöst und mit dem Hall Amt vereinigt.
Heute erinnert in Augsburg noch der Name der Verbindungsgasse zwischen Maximilianstraße und Wintergasse das „Waaggässchen“ an den historischen Ort der Stadtwaage.

 

Literaturverzeichnis:
[1] Wikipedia „Stadtwaage“ http://de.wikipedia.org/wiki/Stadtwaage
[2] Hartmut Boockmann „Die Stadt im späten Mittelalter“, C.H. Beck, München 1986, Seite 94ff
[3] Petra Ostenrieder: Waagen in Günther Grünsteudel, Günter Hägele, Rudolf Frankenberger (Hrsg.) Augsburger Stadtlexikon Online (Stand: 2. Auflage – Druckausgabe) http://www.stadtlexikon-augsburg.de/
[4] Augusta Vindelicorum „Geschichte“ „Die Maximilianstrasse“ http://www.augusta-vindelicorum.de/Augusta-Vindelicorum/Orte/maximilianstrasse/maximilianstrasse.html
[5] Albert von Forster „Die Erzeugnisse der Stempelschneidekunst in Augsburg und Ph. H. Müller’s nach meiner Sammlung beschriebenen und die Augsburger Stadtmünzen“, Kommissionsverlag von Karl W. Hiersemann, Leipzig, 1910
[6] Richard Schmid „Augsburger Zeichen“ in Mitteilungen der Bayerischen Numismatischen Gesellschaft, Band 31, 1913, Seite 113ff
[7] Paul von Stetten (der Jüngere), „Beschreibung der Reichsstadt Augsburg, nach ihrer Lage, jetzigen Verfassung, Handlung und den zu solcher gehörenden Künsten und Gewerben, auch ihren andern Merkwürdigkeiten“, Conrad Heinrich Stage, Augsburg 1788